Nachhaltiges Reisen, was bedeutet das für unseren Urlaub? Etwas aufgeregt waren wir schon. Zum ersten Mal sind wir mit dem Elektroauto unterwegs. Bis auf die letzte Ladestation war alles geplant. Unser Ziel: Eine Öko-Villa, 40 km vor Lissabon – als Teil einer Lodge-Anlage mit fünf Unterkünften, umgeben von dichten, schattigen Waldstücken unweit vom Strand mit einem atemberaubenden Meerblick aus sämtlichen Zimmern.
Im Haupthaus ein Gemeinschaftsbereich bestehend aus einem gemeinsamen Wohnbereich mit Kamin, einer offenen Küche und einer Glaswand mit Blick aufs Meer. Und die Kirsche auf der Torte: Ein Bio-Infinity Pool, perfekt zum Entspannen nach Strand-Spaziergängen und Tagesausflügen.
Planänderung: Wir fahr‘n nach Lodge
„Zwei Jahre kein Urlaub im Ausland. Da darf es ruhig mal schick sein“, wirft mir Jörg zu, während wir die Batterien aufladen und den Wagen mit dem allernötigsten Gepäck beladen.
„Da haste recht! Revenge Travel vom Feinsten zwei Jahre nach der Sache mit der Fledermaus“, werfe ich zurück. „Die Lodge an der Atlantikküste, ich kann es immer noch nicht fassen, dass wir die kriegen konnten.“
Das ursprüngliche Ziel unserer Planung war eigentlich der Küstenort Cala Millor auf Mallorca. Völlig aus dem Häuschen war ich, als ich vom nahe gelegenen Safari Park in Cala Millor erfahren habe. Mit Giraffen, Nilpferden und Zebras. Und die am Abend beleuchtete Strandpromenade mit seinen vielen Restaurants und Bars hatte uns beiden sehr gut gefallen.
Warum dann die Öko-Villa? Hat es etwas mit unserem letzten Urlaub auf Sylt zu tun? Vielleicht. Denn unsere Erinnerungen an den verschwundenen Strand rückten das Thema Nachhaltigkeit bei der Reiseplanung immer weiter nach vorne. Und weil nachhaltige Angebote auf Mallorca komplett ausgebucht waren, entschieden wir uns schließlich für die Lodge an der portugiesischen Küste.
Was ist nachhaltiger Tourismus?
„Hart feiern, Spaß haben, ohne dass jeder Atemzug zur Achtsamkeitsübung wird. Im Urlaub geht es doch um uns?“, meinte ich zu Jörg, nachdem wir Mallorca abgehakt hatten. Wahrscheinlich war ich aber einfach nur sauer, weil ich jetzt auf die Safari mit den Zebras verzichten muss.
Schnell ist bei Debatten rund um das Thema nachhaltiges Reisen der Massentourismus die Wurzel allen Übels. Aber ist das nicht zu einfach gedacht? Und ist nachhaltiger Tourismus überhaupt eine Lösung? Oder sind Nachhaltigkeit und Tourismus ein natürlicher Widerspruch? Ich bin verwirrt.
Klar ist. Die touristischen Angebote werden sich zukünftig verändern, wenn die Kosten für Energie steigen und das Wasser in den Destinationen immer knapper wird. Das erfordert neue, kreative und wirtschaftliche Lösungen, um unseren Bedürfnissen auf der einen und den Interessen der Industrie und der gastgebenden Gemeinschaft auf der anderen Seite besser gerecht zu werden.
Damit das funktioniert werden Umweltbelange in den Urlaubsregionen immer stärker berücksichtigt. Aber der Begriff Umwelt ist mir in dem Kontext einfach zu abstrakt. Es geht um Flora und Fauna, Meer, Wetter, Luft und Wasser. Also echte Qualitätsmarker für jeden Urlaub. Das war vielen lange Zeit nicht klar.
Die wichtigsten Leitlinien für nachhaltigen Tourismus
Deshalb hat die Welttourismus Organisation UNWTO Leitlinien für nachhaltigen Tourismus formuliert.
- Leitlinie 1 – Umweltressourcen schonen: Optimale Nutzung der Umweltressourcen, die ein Schlüsselelement der Tourismusentwicklung darstellen und Aufrechterhaltung wesentlicher ökologischer Prozesse als Beitrag zur Erhaltung des Naturerbes und der biologischen Vielfalt.
- Leitlinie 2 – Kultur der Gastgemeinschaft achten: Respektiere die soziokulturelle Authentizität der Aufnahmegemeinschaften, bewahre ihr aufgebautes und lebendiges kulturelles Erbe und ihre traditionellen Werte und trage zu interkulturellem Verständnis und Toleranz bei.
- Leitlinie 3 – Wirtschaft fördern und Armut bekämpfen: Gewährleistung tragfähiger, langfristiger wirtschaftlicher Operationen, Bereitstellung sozioökonomischer Vorteile für alle Interessengruppen, die gerecht verteilt sind, einschließlich stabiler Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten und sozialer Dienstleistungen für die Aufnahmegemeinschaften, und Beitrag zur Armutsbekämpfung.
Naturerbe, interkulturelles Verständnis, Armutsbekämpfung. Großartige Sache. Doch welche Maßnahmen sind für mich aus diesen Leitlinien ableitbar? Was muss ich im Urlaub beachten, um die Umweltressourcen zu schonen, die Kultur der Gastgemeinschaft zu achten, Arbeitsplätze zu unterstützen und Armut zu bekämpfen?
Wir haben uns Gedanken gemacht und die Leitlinien in praktische Handlungsempfehlungen heruntergebrochen.
Nachhaltiger Urlaub: So planst du deine Reise
Jörg hat dabei fünf Stellschrauben festgemacht, um den nächsten Urlaub nachhaltiger zu gestalten. Wichtig ist die Erkenntnis: Die Tipps stehen in enger Beziehung zueinander. Einiges kannst du selbst stark beeinflussen. Anderes ist fast schon alternativlos. So wie die letzten Teile eines Puzzles.
Wir beschränken uns hier auf Urlaubsreisen mit fester Destination. Ein spezielles Urlaubs-Special, das sich mit Rad- und Individualreisen beschäftigt, möchte ich aber auf jeden Fall noch machen, weil diese Art zu Reisen mehr Puzzleteile enthält und ich diese nicht in einem Absatz abhandeln kann.
Dabei gehen wir chronologisch vor und tasten uns Stück für Stück nach vorne:
- Zusammensetzung der Reisegruppe
- Einigung auf das Reiseziel
- Buchen der Unterkunft
- Festlegen des Reisemittels
- Das Reiseprogramm vor Ort
Zusammensetzung der Reisegruppe: Die Art, wie die Reisegruppe zusammengesetzt ist, hat aus meiner Sicht einen großen Einfluss darauf, ob der nachhaltige Urlaub zu einem rundum gelungenen, schönen Reiseerlebnis führt oder als Urlaub mit Verzichts-Momenten wahrgenommen wird.
Das mag einleuchten. Ich erwähne es trotzdem an allererster Stelle, auch wenn es eine Binsenweisheit ist, dass die Begleitung einen großen Unterschied macht. Da nachhaltiger Urlaub für viele jedoch bestimmte Alltags-Gewohnheiten auf die Probe stellt, ist dieser Punkt für mich megawichtig.
Nachhaltiger Urlaub: Viel hängt vom Reiseziel ab
Die Wahl des Reiseziels ist oft der spannendste Punkt deiner Reiseplanung. Allerdings: Wenn für dich die möglichen Reiseziele feststehen, bleibt zunächst offen, wie das Angebot an nachhaltigen Leistungen und Unterkünften dort aussieht. Deshalb empfehle ich bereits zu diesem Zeitpunkt deiner Reiseplanung, den Fokus auf die Urlaubsregionen zu richten, die nachhaltigen Tourismus fördern.
Googel einfach die Suchwörter „Reiseregionen +nachhaltig +Dein Zielland“, dann bekommst du bereits ziemlich gute Ergebnisse. Ist die Anreise ohne Flugzeug möglich? Großartig. Aber auch wenn du jetzt Kompromisse machen musst, ist das nicht weiter schlimm. Vor Ort bieten sich noch viele Möglichkeiten, deinen Urlaub nachhaltig zu gestalten.
Nachhaltiger Aufenthalt in der Öko-Unterkunft
Es gibt mittlerweile eine Reihe von Anbietern, die nachhaltige Unterkünfte vermitteln. Viele davon findest du auf digitalen Plattformen. Dort herrscht meist ein Community Gedanke vor, um ein Netzwerk zu schaffen, das Leute zusammenbringt, für die Nachhaltigkeit ein Thema ist.
Die Bandbreite der Angebote, die du dort findest, ist beachtlich. Von der kleinen Strandhütte bis hin zur ausgedehnten Ferienanlage ist alles dabei. Meist versprechen Anbieter wie „Supergrünes BNB“, die Einhaltung bestimmter Umwelt-Kriterien durch Labels. Jetzt bitte nicht nach „Supergrünes BNB“ suchen, das war nur ein erfundenes Beispiel.
Besonders in den Bereichen Energie, Wasser und Verpackung bzw. Müllentsorgung hat sich bei den Unterkünften einiges getan. Moderne Ferienhäuser bieten vom Durchlaufbegrenzer über die Wiederaufbereitung von Regenwasser bis hin zu Energiesparlampen und solaren Wasserheiz-Systemen eine hohe Energieeffizienz. Im Bad findest du dort auch keine verpackten Hygiene-Produkte oder Plastik-Zahnbürsten mehr.
Wenn du den Aufenthalt im Hotel angenehmer findest, sind lokale Hotels den großen Hotelketten vorzuziehen. Damit förderst du die Wirtschaft vor Ort und oft ist der Service auch individueller und damit besser. Zum Beispiel kannst du leichter darauf bestehen, Handtücher und Bettwäsche nicht täglich wechseln zu lassen.
Wie kommst du zu deinem Urlaubsziel: Alternativen zum Flugzeug vorab checken
Großartig, du weißt jetzt, wo es hingeht, und hast eine Unterkunft gefunden. Kommen wir zu dem Teil der Planung, der sich daraus mehr oder weniger ableitet. Das Transportmittel, mit dem du dein Reiseziel erreichst.
Bei einer Fernreise nimmst du mangels Alternativen logischerweise das Flugzeug. Bis zum Jahr 2050 sollen Flugzeuge zwar klimaneutral sein und mit alternativen Antriebsarten zurecht kommen. Doch bis es so weit ist, erzeugt das Flugzeug den größten ökologischen Fußabdruck aller Transportmittel. Wenn das dein grünes Gewissen belastet, dann werde einfach aktiv.
Auf Websites von NGOs wie atmosfair kannst du das CO2-Äquivalent deines Flugs berechnen lassen. Danach hast du die Möglichkeit, die Klimakosten deiner Reise in Form einer Spende zu kompensieren. Das Geld investieren die NGOs in Klimaschutzprojekte und du bekommst ein persönliches Zertifikat sowie eine Spendenbescheinigung. Die Spende kannst du natürlich in deiner Steuererklärung geltend machen.
Wie geht nachhaltiger Tourismus am Urlaubsort?
Das Reiseprogramm am Zielort ist das letzte Puzzlestück bei der Planung. Wirf noch einmal einen Blick auf die Leitlinien für nachhaltigen Tourismus. Aus den letzten beiden Punkten lässt sich ein Menge für dein Reiseprogramm vor Ort ableiten.
Nach dem Check-In gehst du am besten in die offiziellen Tourismus-Büros und lässt dich dort persönlich beraten. Hier ein paar Tipps:
- Wenn du dich über geführte Touren erkundigst, bestehst du auf lokale Guides. Vielleicht gibt es vor Ort sogar Veranstalter, die sich auf sanften Tourismus spezialisiert haben.
- Noch keinen Mietwagen vorgebucht? Dann hast du jetzt die Chance, dich zu informieren, wie du die Gegend motorlos erkunden kannst – auf dem Wasser, in der Luft und auf der Erde.
- Gibt es Naturschutzgebiete oder Reservate in der Gegend, bei denen du Tieren auf Distanz begegnen kannst? Auch hier hilft das Tourismus Büro gerne weiter.
Wenn du auf einen lokalen Tourguide verzichten möchtest, ist ein eigener Reiseführer mit gutem Kartenmaterial Pflicht. Meistens landen die Guides, Bücher und Karten nach dem Urlaub im Müll. Um das zu vermeiden, kannst du Karten und digitale Reiseführer vor der Abreise auf dein Smartphone herunterladen, dann sind sie während deines Aufenthalts jederzeit abrufbar.
Völlig entschleunigt bist du auf dem Wasser im Ruderboot, oder zu Lande auf dem Fahrrad, wenn du auf Entdeckungsreise gehst. Oder du machst auf Reinhold Messner und ziehst deine Wanderschuhe an. Doch aufgepasst! Wenn du wandern gehst, nimmst du am besten deine eigene Trinkflasche mit und bleibst auf den gekennzeichneten Wegen.
Magst du wie ich gerne Affen, Zebras und Co? Dann gibt es ein paar Dinge zu beachten. Wenn du am Urlaubsort zum Beispiel an Beobachtungstouren teilnehmen möchtest, bei denen du auf wilde Tiere triffst, greife bitte nicht in ihr Ökosystem ein, indem du sie fütterst. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Tiere nicht mehr selbst jagen und die Natur so aus dem Gleichgewicht gerät.
Nachhaltiges Reisen: Die besten Ideen hast du selbst
Sicher ist dir aufgefallen, dass viele dieser Tipps dabei helfen können, die Natur und die Kultur der Destination etwas besser zu schützen. Für viele sind meine Tipps Selbstverständlichkeiten. Für andere waren vielleicht neue und hilfreiche Anregungen dabei. Auf jeden Fall solltet Ihr im Hinterkopf behalten, dass es im Jahr 2022 eine perfekte, nachhaltige Reise (noch) nicht gibt.
Das Wichtigste ist, dass du den Urlaub so gestaltest, dass es für dich passt. Und dass du deine Erlebnisse während einer Öko-Tour im Idealfall mit Leuten teilst, für die Nachhaltigkeit genauso wichtig ist, wie für dich selbst. Dabei hast du bereits mit der Wahl deines Reiseziels sehr viel Einfluss darauf, ob du deine Vorstellungen von einem nachhaltigen Urlaub verwirklichen kannst.
Falls du in der Vergangenheit bereits Erfahrungen mit Öko-Reisen und nachhaltigem Tourismus gemacht hast, dann teile sie gerne in den Kommentaren. Denn eins ist klar: Die besten Ideen kommen auf der Reise selbst. Und da ist noch viel Luft nach oben für Pionier-Arbeit. Von uns allen.
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Bildquelle: Chama / Pexels